Die nächste acatech Horizonte-Veranstaltung wird das Thema nachhaltige Landwirtschaft behandeln. Eine Möglichkeit dabei ist eine geschlossene Kreislaufwirtschaft. Diese erfordert jedoch die Zusammenarbeit verschiedener Disziplinen. Wird diese Komplexität die Akzeptanz der Kreislaufwirtschaft beim Verbraucher mindern?
Das Modell der zirkulären Landwirtschaft zielt darauf ab, Verluste in der Produktion so gering wie möglich zu halten. Diese neuen Netzwerke müssen sich deshalb vor allem zwischen Produzenten und Entsorgern entwickeln – nicht zwingend beim Verbraucher.
Für den Verbraucher und für einen verantwortungsvollen Konsum ist es eher wichtig zu wissen, ob die Lebensmittel nachhaltig produziert wurden – worauf die Kreislaufwirtschaft abzielt. Zwar wird nachhaltiger Konsum noch nicht immer gelebt, aber viele Probleme werden bereits öffentlich diskutiert, sodass viele Verbraucher schon sensibilisiert sind. Dazu gehört zum Beispiel das Wissen, dass die derzeitige Landwirtschaft und die Nahrungsmittelproduktion mit umfassenden Umweltwirkungen verbunden sind. Neben der Produktion von Treibhausgasen zählen dazu auch der Verlust der Biodiversität sowie Nitrat-belastete Grundwässer aufgrund des breiten Einsatzes von Düngemitteln.
Hier kann die Kreislaufwirtschaft helfen. Sie würde beispielsweise die enge Verbindung von Feldwirtschaft, Gartenbau und Viehzucht, ergänzt um die Nutzung von Restströmen aus der Nahrungsmittelkette, beinhalten. Dies würde zum Beispiel bedeuten, Gülle und Reste aus dem Ackerbau als Dünger zu benutzen. Insekten, die auf Lebensmittelresten gezüchtet werden, könnten wiederum zu Tierfutter verarbeitet werden. Lebensmittel könnten so nachhaltiger produziert werden.
Die Verantwortung der Verbraucher in einer zirkulären Landwirtschaft geht somit nicht weit über das hinaus, was derzeit schon bekannt ist. Der Fokus liegt darauf, möglichst hochwertige Lebensmittel zu konsumieren, Nahrungsmittelabfälle weitestgehend zu vermeiden und, wo unvermeidbar, zu sammeln. Derzeit entstehen alleine 52 Prozent der Lebensmittelabfälle in privaten Haushalten. Das ist ein riesiger Hebel.
Welche Rolle wird die Künstliche Intelligenz (KI) vor allem in der urbanen Landwirtschaft spielen?
Bereits jetzt tragen Technologien des „Precision Farming“ dazu bei, Pflanzenschutz und Dünger in der klassischen Landwirtschaft nur dort, wo nötig, und so gering wie möglich einzusetzen. KI erlaubt die Auswertung umfassender lokaler Boden-, Wachstums- und Erntedaten und zeigt auf, wo wieviel von was eingesetzt werden sollte. Auch in einem kontrollierten System wie dem Vertical Farming in einer urbanen Landwirtschaft kann es zu unterschiedlich guten Wachstumsbedingungen oder zu Schädlingsbefall kommen. Auch hier kann KI genutzt werden, um frühzeitig auf nachteilige Entwicklungen aufmerksam zu machen und das Risiko von Ernteausfällen zu reduzieren. Darüber hinaus kann KI natürlich dazu beitragen, Informationen über wertvolle Abfallströme im größeren urbanen Umfeld zu bündeln und diese damit verfügbar zu machen.
Der Global Food Summit 2020 in München behandelt das Thema der geschlossenen Lebensmittelkreisläufe in Städten. Welchen Input erwarten Sie sich für Ihre Arbeit?
Für acatech als Nationale Akademie der Technikwissenschaften ist die Rolle von KI für den Aufbau eines zirkulären Nahrungsmittelsystems hochinteressant und relevant. Diese Perspektive auf digitale Technologien als Enabler für eine Circular Economy zieht sich durch unsere gesamte Arbeit. Dies gilt auch für die kürzlich gestartete Circular Economy Initiative Deutschland, die von einer bei acatech angesiedelten Geschäftsstelle koordiniert wird. Zudem gibt es im Rahmen der Sustainable Development Goals das erklärte Ziel, die weltweite Lebensmittelverschwendung bis 2030 um 50 Prozent zu reduzieren. Ich bin sehr gespannt auf die Erkenntnisse aus den Diskussionen zur Session I, wie KI dazu beitragen kann, dieses Ziel zu erreichen.