Inside India – Indische Wahlen und der Agrarsektor – warum der 19. April so wichtig ist.

Am 19. April öffnet die größte Demokratie der Welt ihre Wahllokale. Wahlen in Indien durchzuführen sind ein logistisches Großunternehmen. Rund 960 Millionen Menschen im Land sind als Wähler registriert. Das sind über 10 Prozent der Weltbevölkerung. Sie vergeben die 543 Sitze im indischen Parlament neu. Bis alle Wahlberechtigten ihre Stimme abgegeben haben, wird es voraussichtlich bis zum 1. Juni andauern. Denn laut indischem Wahlgesetz darf der Weg von jedem Wohnort zum Wahllokal nicht länger als zwei Kilometer sein. Das ist besonders in ländlichen Gebieten eine Herausforderung.

Vor allem die Bauern und Bauernverbände in Indien werden diese Wahl aufmerksam und kritisch verfolgen. Denn das Land hatte sich 2020 auf den Weg gemacht, seine Landwirtschaft zu reformieren und auch für das Ausland zu öffnen. Nach Protesten der über 40 Bauernverbände im Land und der Bauern selbst, hatte die Regierung die Liberalisierung dann zunächst gestoppt. Sollte Modi jedoch im Amt bestätigt werden, ist jedoch ein neuer Anlauf für Reformen im Agrarbereich wahrscheinlich.

Indien ist aber nicht nur bei Wahlen ein Land der Superlative, sondern eben auch im Agrarsektor. Rund 100 Millionen Bauern gibt es in Indien, die meisten bewirtschaften jedoch weniger als zwei Hektar Ackerland. Dennoch gelingt es Indien, seine Bevölkerung trotz stetigen Bevölkerungswachstums weitgehend selbst zu ernähren. Das Land ist nicht nur eine Wirtschafts-, sondern auch eine Agrarmacht. Noch.

Es ist jedoch absehbar, dass Veränderungen notwendig werden, wenn das Land weiter wächst.

Zwar ist Indien weltweit der größte Produzent von Milch und Hülsenfrüchten und der zweitgrößte von Reis, Weizen, Obst und Gemüse. Das meiste davon wird im eigenen Land benötigt und verbraucht. Um die Produktion aber dem Wachstum anzupassen, sind Reformen notwendig, Eine Fleischproduktion, die über den einzelnen schlachtenden Bauern hinausgeht, gibt es beispielsweise in Indien kaum. Ebenso wenig eine verarbeitende Industrie, die Lebensmittel abpackt oder veredelt. Ansätze gibt es, aber noch nicht zur stetigen Versorgung für ein Land mit 1,4 Milliarden Menschen. Indien hat ein Verteilungsproblem und weniger ein Produktionsproblem. Deshalb gibt es auch immer noch Mangelernährung im Land. Um aber die geplanten Reformen umzusetzen, braucht es Kapital. Doch noch immer gilt: Ausländische Investoren können in Indien kein Land erwerben und in einigen Bundesstaaten dürfen nur bereits registrierte Bauern Ackerland kaufen. Das würde Modi gerne ändern.

Vor allem die große Masse der Kleinbauern fürchtet jedoch bei einer Liberalisierung auf der Strecke zu bleiben.
Doch wer beim Agrarsektor Indiens nur an Ochsenkarren und eben kleine Subsistenz-Reisbauern denkt, wird dem aufstrebenden Land nicht gerecht.

Indien ist auch das Land einer starken Landtechnikindustrie. Nicht nur Claas und John Deere sind seit mehr als einem Jahrzehnt im Land, auch der nach Stückzahlen größte Traktorenhersteller der Welt, Mahindra & Mahindra, produziert jährlich rund 350.000 Traktoren.

Darüber hinaus unternimmt Indien große Anstrengungen zur Digitalisierung des Agrarsektors: Wetter-Apps, digitaler Zugang zu Getreidebörsen und Marktpreisen sowie der Zugang zu Abnehmern außerhalb des eigenen Dorfes bringen Wachstum. Der bereits erwähnte Traktorenhersteller Mahindra & Mahindra investiert beispielsweise in digitale Lösungen für Kleinbauern im Bereich Geo-Fencing.

Und schon seit 2016 gibt es eine staatliche digitale Handelsplattform, den „Electronic National Agriculture Market“ (e-NAM). Dabei handelt es sich um ein Handelsportal, das von der Zentralregierung finanziert und vom Small Farmers Agribusiness Consortium (SFAC) umgesetzt wird. Das Portal vernetzt Marktplätze, Untermärkte, private Märkte und andere unregulierte Märkte, um alle nationalen Agrarmärkte zu vereinheitlichen und eine zentrale Online-Plattform für die Preisfindung von Agrarrohstoffen zu schaffen.

Die kommenden Wahlen werden nun zeigen, ob im Juni mit weiteren Bauernprotesten zu rechnen ist, wie im Februar dieses Jahres in Neu Delhi, als ähnlich wie in Europa rund 30.000 Bauern für bessere Preise auf die Straße gingen.

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