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F.: Herr Abgeordneter, Indien ist auf dem Weg zum Global Player. Das Land wächst seit Jahren kontinuierlich: wirtschaftlich, wissenschaftlich, aber auch demografisch. Dennoch haben wir uns in Europa eher auf China als auf Indien als strategischen Partner konzentriert. Und das, obwohl Indien eine Demokratie ist und China nicht. Und man hat immer noch den Eindruck, dass wir uns immer noch mehr auf China konzentrieren, oder täuscht das?
A.: „Ich gebe Ihnen Recht, wir machen zu viel und leider auch zu unreflektiert „China“ und wir tun zu wenig in Indien. Es macht aus geopolitischen Erwägungen sehr viel Sinn sich nicht nur an China abzuarbeiten, sondern auch auf andere Partner wie Indien zu setzen. Indien ist darüber hinaus auch wirtschaftspolitisch unglaublich spannend. Denn Indien hat im Gegensatz zu China weiterhin eine wachsende Bevölkerung und vor allem auch eine wachsende Mittelschicht. Beides spricht für den Ausbau unserer Wirtschaftsbeziehungen sowohl als Absatzmarkt als auch als Produktions- und Dienstleistungsstandort. Und wenn das noch keine Argumente sind – in Indien lebt etwas weniger als 20% der Weltbevölkerung. Ohne Indien wird es also auch keine Lösung in Klima- und Umweltfragen geben.“
F.: Vor zwei Jahren wurde das deutsch-indische Migrationsabkommen unterzeichnet, auch mit dem Ziel, Fachkräfte ins Land zu holen. Inzwischen sollen rund 116.000 Inder in Deutschland arbeiten, davon rund 48.000 mit Hilfe des neuen Migrationsabkommens. (Zahlen Mediendienst Migration). In den USA hingegen bewerben sich jährlich rund 15 Millionen Menschen um eine Green Card. Halten Sie angesichts dieser Zahlen das Migrationsabkommen für einen Erfolg, wenn ja, warum, wenn nein, warum nicht?
A.: „Die Vereinigten Staaten sind größer als wir, haben eine lange Tradition mit indischer Einwanderung und man spricht dort Englisch. Insofern können wir Deutschland nicht mit den USA vergleichen. Aber richtig ist: Da liegt noch viel Potential brach. Und es ist auch richtig, dass Fachkräfteauswanderung aus Indien aufgrund der extrem jungen Bevölkerung im Land nicht zu einem Brain-Drain führt. Fachkräftezuwanderung aus Indien kann also ein dreifacher Gewinn sein. Für Deutschland, für Indien und vor allem für die jungen Menschen, die dadurch einen Job finden. Dazu müssen wir aber früher als bislang ansetzen: Wir müssen die Zahl der indischen Studenten in Deutschland weiter steigern. Wir brauchen in Indien ein größeres Angebot an Deutsch-Sprachkursen. Und wir müssen schneller und besser bei der Visa-Vergabe und bei Aufenthaltsgenehmigungen werden.“
F.: In Indien finden derzeit Wahlen statt, für die die größte Demokratie der Welt enorme Anstrengungen unternimmt, um ihre Bürger die Stimmabgabe zu ermöglichen. Sie waren im letzten Jahr mit der Parlamentariergruppe in Indien, um mit Abgeordneten zu sprechen. Welchen politischen Gesamteindruck haben Sie von den bilateralen deutsch-indischen Beziehungen gewonnen? Was erwartet Indien von uns und was erwarten wir von Indien?
A.: „Die Beziehungen sind gut. Man muss aber auch sehen, dass wir für Indien nur ein Land von vielen sind. Indien erwartet von uns eine verstärkte Kooperation nicht nur im Bereich Rüstung. Wir hätten in Indien gerne einen Partner auf Augenhöhe, der so demokratisch und tolerant aufgestellt bleibt, wie die indische Verfassung das vorsieht. Ich glaube, dann brauchen wir uns über die Deutsch-Indischen Beziehungen keine Sorgen zu machen.“
F.: Unabhängig von der Politik – was fasziniert Sie an diesem Land am meisten?
A.: „Indien ist kein Land – es ist durch seine Größe und Vielfalt wie ein Kontinent – das macht das Faszinierende aus.“