Fragen Global Food Summit an Herr Peter Wesjohann, Vorstandsvorsitzender der PHW-Gruppe, größter deutscher Geflügelzüchter und -verarbeiter
Berlin, 13. November 2018. Eine im Juli veröffentlichte Studie der Justus-Liebig-Universität Gießen, in Auftrag gegeben von der Heinz Lohmann Stiftung, hat ergeben, dass Deutschland für Unternehmen der Agrar- und Lebensmittelwirtschaft ein insgesamt attraktiver Standort bleibt. Das Institut erhob im Zeitraum von Juni bis Oktober 2017 in drei Befragungsrunden 234 Expertenmeinungen aus den vier Branchen Backwaren, Bier, Molkerei und Geflügelwirtschaft. In der dritten Befragungsrunde nahmen die Experten zu den Ergebnissen einer bevölkerungsrepräsentativen Online-Befragung von 2.009 Konsumenten Stellung. Auch Präferenzen für vegane Lebensmittel, Insektenprotein und In-Vitro-Fleisch wurden abgefragt. Hier ein Auszug des Interviews mit Herrn Peter Wesjohann, Vorstandsvorsitzender der PHW-Gruppe.
1) Wie schützen Sie die Chancen für „Cultured meat“ ein, auf Basis der Studienergebnisse ein?
Sobald Produkte verfügbar sind, wird aus meiner Sicht auch „Cultured Meat“ eine wachsende Rolle spielen. Sicherlich wird mit den Jahren, mit zunehmender Akzeptanz und Bekanntheit sowie einer weiteren Verfeinerung der Produkte, der Markt weiter wachsen, so dass wir hier irgendwann vielleicht auch nicht mehr von einer Nische sprechen. Von Schwarzweiß-Szenarien halte ich allerdings nichts. Traditionell erzeugtes Fleisch wird aus unserer Sicht auch in 30 Jahren noch einen großen Markt haben.
2) PHW hat sich ja bereits Beteiligungen und den Zugriff auf die Technologie gesichert. Welche Gründe haben dazu geführt, das zu machen?
Wir glauben an Wachstum durch Vielfalt. Konkret bedeutet das, dass wir als Unternehmen schon immer unkonventionelle Wege gegangen sind. Lange vor dem Bio-Boom haben wir uns mit alternativen Haltungskonzepten beschäftigt und es somit dem Verbraucher ermöglicht, sich bewusst für ein bestimmtes Tierhaltungskonzept zu entscheiden. Angefangen hat bei uns alles im Jahr 2000 mit dem Weidehähnchen aus Auslaufhaltung, 2002 folgte das Bio-Hähnchen. Den hier erworbenen Erfahrungsschatz haben wir 2011 in das Konzept Privathof-Geflügel einfließen lassen, das ein Mehr an Tierschutz in den Mittelpunkt stellt und durch das Tierschutzlabel der Einstiegstufe des Deutschen Tierschutzbundes gekennzeichnet ist. Im März 2015 haben wir ein vielseitiges Sortiment an veganen Produkten auf den Markt gebracht, um Verbrauchern, die sich fleischlos ernähren möchten, eine gute Alternative zu Geflügelfleisch zu bieten.
Den für uns konsequent nächsten Schritt sind wir Anfang des Jahres gegangen, in dem wir uns nach der Entwicklung unseres veganen Sortiments mit der Entwicklung von Cultured Meat beschäftigt haben.
Wenn wir es als Gesellschaft anstreben, künftig weniger konventionell erzeugtes Fleisch zu essen, dann gibt es drei Stakeholder, die alle an einem Strang ziehen müssen: Die Lebensmittelhersteller, der Handel und die Verbraucher. Meine Aufgabe als Lebensmittelhersteller ist es, für den Verbraucher möglichst viele verschiedene und überzeugende Angebote zu schaffen. Das tue ich.
Wir bieten dem Verbraucher eine breite Produktpalette von konventionell erzeugtem Geflügelfleisch über Privathof-Geflügel bis hin zu einem veganen Sortiment an. Künftig werden wir noch einen Beitrag dazu leisten, dass der Verbraucher in ein paar Jahren auch Cultured Meat kaufen kann.
Vor diesem strategischen Hintergrund verstehen wir unseren Einstieg bei SuperMeat.
Wir wollen am Puls der Zeit sein und uns frühzeitig das Know-how für mögliche künftige Marktchancen sichern. Wir stellen also unsere Produktpalette breiter auf und definieren uns als Anbieter von hochwertigen Proteinen.
3) Für Landwirte scheint dieses junge, eher städtische Produkt nicht attraktiv. Soll die Produktion künftig von Landwirten gemacht werden, oder sind das eher neue städtische Labore, die diese Zellkulturen züchten werden. Wird der Strukturwandel der Landwirtschaft dadurch beschleunigt?
Vorstellen kann ich mir vieles – auch eine Produktion auf landwirtschaftlichen Betrieben. Aber im Ernst: Diese Frage lässt sich gegenwärtig beim besten Willen nicht seriös beantworten. Unabhängig davon wird der Markt für Geflügelfleisch und damit auch die Geflügelhaltung insgesamt weiter wachsen. Davon werden auch die Mäster in den kommenden Jahren profitieren, insbesondere dann, wenn wir es in Zukunft schaffen, den Verbrauchern eine interessante und breite Produktpalette anzubieten.
4) Ab wann rechnen Sie mit einer Marktzulassung in Europa?
Damit haben wir uns noch nicht befasst. Dazu müssen wir zunächst konkrete Produkte in der Pipeline haben. Wenn die absehbar sind, werden wir mit den Behörden sprechen. 5) Die Studie der Heinz Lohmann Stiftung spricht von 16 Prozent der Befragten, die dieses Fleisch jetzt schon kaufen würden, das ist mehr als der gesamte Biomarktanteil. Wird das eine Entscheidung für eine baldige Vermarktung beschleunigen? Wir haben uns im vergangenen Jahr intensiv mit verschiedenen Start-ups, die Cultured Meat entwickeln wollen, beschäftigt. Nach einem aufwendigen Due Diligence-Prozess haben wir uns dann für das israelische Start-up SuperMeat entschieden. Und das vor allem aus einem für uns sehr wichtigen Grund: Das Unternehmen ist mit seinem Forschungsansatz praxisnah unterwegs. SuperMeat konzentriert sich darauf, möglichst schnell Produkte im Bereich Meatmix auf den Markt zu bringen und versucht sich nicht – wie manch andere – an der hohen Kunst des Hähnchenbrustfilets. Die Wissenschaftler wollen binnen drei bis fünf Jahren marktfähige Produkte vorweisen. Sobald Produkte verfügbar sind, wollen wir natürlich auch so schnell wie möglich nicht nur unser ganzes Know-how in der Logistik und Produktion von Convenience- und veganen Produkten, sondern vor allem auch unser breites Vertriebsnetzwerk nutzen, um den Start von SuperMeat auf dem deutschen wie europäischen Markt zu beflügeln.