Pilze gelten wohl schon jetzt als der begehrteste Modetrend 2022: Die Modewelt denkt radikal um und setzt zunehmend auf natürliche Materialien. Wie radikal, das zeigen die Entwürfe des Konsortiums des kalifornischen Start-Ups „Bolt Threads“, zu dem sich keine Geringeren zusammengetan haben als adidas, lululemon, Stella McCartney und die gesamte Kering Gruppe, zu der Gucci, Yves Saint Laurent, Balenciaga und Bottega Veneta gehören.
So wurden bereits jetzt die ersten Stan Smith-Sneakers, eine Hermes-Tasche namens „Victoria“, Bustiers von Stella McCartney und Yogamatten- und Accessoires von lululemon aus Myzel-Leder vorgestellt, die ab dem kommenden Jahr im Handel erhältlich sein werden.
Die kalifornische Firma „Bolt Threads“, die von Dr. Dan Widmaier und Dr. David Breslauer gegründet wurde, hat ihren Hauptsitz in Emeryville in der Nähe von San Francisco. Widmaier, der seinen Doktor in Chemie und chemischer Biologie an der University of California, San Francisco erlangte und dabei geschlossene genetische Systeme zur Verarbeitung mikrobieller Organellen entwickelte, forscht bereits seit 2009 an Myzel und entwickelte schließlich MYLOTM.
Das Material Myzel fühlt sich wie Kalbs- oder Schafleder an und ist dadurch schnell zum Liebling der Fashion-Industrie geworden. Myzel weckt nämlich genau das gleiche Gefühl von Einzigartigkeit wie Leder und bietet zahlreiche Möglichkeiten der individuellen Verarbeitung an:
„Bolt“, was auf Deutsch so viel wie „ausreißen“ oder „durchbrechen“ bedeutet und Threads, also „Fäden“, bricht also mit der gängigen Materialherstellung in der Modewelt, für die viele Ressourcen wie Wasser, Baumwolle, Farben und Chemikalien gebraucht werden, wodurch Abwässer verunreinigt und das in vielen Regionen ohnehin schon knappe Wasser aufgebraucht wird.
Das Myzel setzen sich aus Hyphen, also den fadenförmigen Zellen eines Pilzes oder Bakteriums, zusammen. Die meisten Myzelien kann man mit bloßem Auge nicht
erkennen. Im allgemeinen Sprachgebrauch werden als Pilze nur die sichtbaren Fruchtkörper bezeichnet. Als „Myzel“ bezeichnet man die Gesamtheit der fadenförmigen Zellen eines Pilzes.
Durch den Anbau des Myzeliums in Form von Vertical Farming ist der Anbau komplett saisonunabhängig, pestizidfrei und platzsparend., So werden Böden geschont und lange Transportwege vermieden. Myzel ist vollständig kompostierbar und stellt somit einen organischen Nährstoff dar, der später in einen biologischen Kreislauf zurückgeführt werden kann.
Der Trend geht also klar zum organischen Leder: Dr. Carmen Hijosa aus Spanien zum Beispiel gründete „Ananas Anam” auf den Philippinen, wodurch ihr Lederimitat Piñatex® entstand. Inspiriert wurde sie durch die Verwendung natürlicher Pflanzenfasern für die Herstellung der traditionellen Barong Tagalog-Oberhemden. Für ihre Erfindung gewann sie 2015 den Cartier Women!s Initiative Award.
Das mexikanische Label Desserto® stellt Leder-Imitat aus Kaktusblättern her: Kakteen können große Mengen an CO2 absorbieren, nämlich 8100 Tonnen auf 14 Hektar. Die Blätter können schon nach sechs bis acht Monaten geerntet werden, wachsen nach dem Schnitt schnell nach und benötigen anders als bei der Herstellung von Leder nur wenig Wasser.
Nachhaltigkeit ist klar en Vogue: lululemon formulierte unlängst eine Impact Agenda, Gucci ein „Equilibrium#-Manifesto, die die Entwicklung umweltfreundlicher Materialien und zirkulärer Verarbeitungsmethoden vorsieht.