Wie sieht eine nachhaltige Landwirtschaft der Zukunft aus? Welche Grundvoraussetzungen müssen dafür erfüllt werden? Mit diesen Fragen beschäftigt sich die dritte Ausgabe der Publikationsreihe acatech HORIZONTE, die am 3. Dezember 2019 im Münchener Künstlerhaus vorgestellt wurde. Nur einen Tag nach dem Agrargipfel im Kanzleramt lud die Akademie Expertinnen und Experten aus Landwirtschaft und Lebensmittelproduktion zur Diskussion. Bei einem acatech am Morgen am 5. Dezember diskutierte schließlich Arbeitsgruppenleiter Hans-Georg Frede mit Abgeordneten des Bayerischen Landtags darüber, wie das Thema Landwirtschaft auch in der Bildung stärker in den Fokus rücken kann.
Rückgang der Biodiversität, intensive Tierhaltung, zu hohe Nitratwerte im Grundwasser, Traktor-Konvois, die deutsche Großstädte lahmlegen – die Debatten und Ereignisse der letzten Monate zeigen: das Thema nachhaltige Landwirtschaft ist hochaktuell. „Von einer nachhaltigen Landwirtschaft, die allen gesellschaftlichen Gruppen annähernd gerecht wird, sind wir noch weit entfernt. Ein Weg dorthin ist möglich, er gelingt allerdings nur, wenn alle Akteure – also Verbraucher, Landwirte und Politiker – sich zu einem konstruktiven Dialog zusammenfinden“, erklärte Hans-Georg Frede, Leiter der Arbeitsgruppe der aktuellen acatech HORIZONTE, bei der Vorstellung der Publikation im Münchner Künstlerhaus. Die neue Ausgabe habe das Ziel, ein Bewusstsein dafür schaffen, dass nur im Dialog ein Gleichgewicht zwischen den drei Dimensionen der nachhaltigen Landwirtschaft hergestellt werden kann: Sie müsse zugleich gesellschaftlich akzeptiert und sozial verträglich, ökologisch ausgewogen und ökonomisch tragfähig sein.
Wer trägt die Verantwortung auf dem Weg in eine Nachhaltige Landwirtschaft?
Andreas Möller, Autor des preisgekrönten Buches „Zwischen Bullerbü und Tierfabrik – Warum wir einen anderen Blick auf die Landwirtschaft brauchen“, sieht bei der Frage der nachhaltigen Landwirtschaft eher ein gesamtgesellschaftliches Problem: „Der Agrargipfel in Berlin, die Bauernproteste oder Aktionen wie die Grünen Kreuze unterstreichen, dass es höchste Zeit für eine andere Auseinandersetzung mit der Landwirtschaft ist. Zu oft werden die Probleme im Spannungsfeld zwischen regulatorischen Vorgaben, Weltmarkt und sinkenden Erzeugerpreisen einseitig den Bauern angelastet. Tatsächlich fordern die Probleme die Gesellschaft als ganze heraus, nicht zuletzt uns Verbraucher.“
Mit Blick auf den Agrargipfel und die Bauern-Demonstrationen appellierte Stefan Köhler, Vertreter des Bayerischen Bauernverbands, für einen sachlichen, differenzierten und wissenschaftlichen Diskurs zwischen allen Beteiligten. Er sprach sich insbesondere für die Landwirtinnen und Landwirte aus, die sich angesichts ökologischer Forderungen der Bevölkerung in ökonomischer Gefahr wähnten. Viele nationale Regulierungen, wie die Düngeverordnung aufgrund der Nitratproblematik, passten nicht zu regionalen Gegebenheiten der Landwirtschaft. Stefan Köhler betonte zudem die Potenziale der Digitalisierung – zum Beispiel zur Verringerung von Düngemitteleinsatz.
Untrennbare Verbindung zwischen Landwirtschaft und Ernährung
Zu neuen Formen der Lebensmittelproduktion wird viel Forschung betrieben. Diese Forschung kann helfen, die Produktion von Lebensmitteln – auch im Sinne der UN Nachhaltigkeitsziele – nachhaltiger zu gestalten. Stephan Becker-Sonnenschein vom Global Food Summit, einem Kooperationspartner der Akademie, stellte in seinem Impulsvortrag innovative Lösungen im Bereich neuer Lebensmitteltechnologien vor. Hierzu zählen Methoden der Biotechnologie wie CRISPR/Cas, alternative Proteinquellen oder auch Indoor-Farmen in Großstädten. „Es ist klar, dass wir immer Lebensmittel vom Land brauchen werden. Aber auch, dass Landwirtschaft mit der KI-Technologie einer Veränderung gegenübersteht, insbesondere wenn städtische Nachhaltigkeitsvorstellungen vehement eingefordert werden. Diese Veränderungen müssen in der Lebensmittelkette rechtzeitig antizipiert und gezielt vorbereitet werden”, so Stephan Becker-Sonnenschein.
acatech am Morgen im Bayerischen Landtag: Wie kann man das Thema Nachhaltigkeit in die Bildung einbetten?
Zwei Tage nach der Vorstellung der Publikation im Künstlerhaus stellte die Akademie, vertreten durch Arbeitsgruppenleiter Hans-Georg Frede, die Kernaussagen der neuen Ausgabe der acatech HORIZONTE Abgeordneten des Bayerischen Landtags vor. Als weitere Expertin erläuterte Uta Löhrer von der Bayerischen Landeszentrale für politische Bildungsarbeit (BLZ) Möglichkeiten, das Thema nachhaltige Landwirtschaft und nachhaltigen Konsum in der Bildung zu etablieren und die Gesellschaft so zu sensibilisieren. Aufgabe der Landeszentrale sei es, einen Beitrag zur Toleranz- und Werteerziehung der Bevölkerung zu leisten und Alltagskompetenzen zu vermitteln, so zum Beispiel in der Umwelterziehung im Rahmen der politischen Bildung.
„Wir brauchen mündige Menschen, damit diese gute Fragen stellen können“, so Uta Löhrer, „und es ist deshalb unsere Aufgabe, Wissen frühzeitig bereitzustellen.“ Um das Thema Nachhaltiger Konsum in die Bildung zu integrieren, schlug sie partizipative Formate wie Planspiele oder Simulationen als geeignete Vermittlungsansätze vor. Ein Beispiel hierfür ist das von acatech, der BLZ sowie dem CAP erarbeitete Konzept eines Forschungslabors, bei dem insbesondere Schülerinnen und Schüler aus dem städtischen und ländlichen Raum in einen Dialog gebracht werden sollen.
Über acatech HORIZONTE
Die Themenreihe „acatech HORIZONTE“ untersucht Technikfelder, die unseren Alltag grundlegend verändern, aber in ihrer Tragweite noch nicht klar sind. Solche Technologien möchte acatech differenziert, anschaulich und verständlich aufbereiten und bewerten. Die Publikationen der „acatech HORIZONTE“ bilden einen breit angelegten Diskussionsprozess ab. Ein Begleitkreis mit Persönlichkeiten aus Wissenschaft, Wirtschaft, Politik, Technikkommunikation und der Gründerszene berät acatech bei der Themenwahl.