Interview mit Klaus Josef Lutz, Vorstandsvorsitzender der BayWa

      1. Die BayWa hat technisch innovative Klimagewächshäuser in den Emiraten gebaut und ermöglicht so den Anbau von Premium-Fruchtgemüse in der Wüstenregion. Wie sehen Sie die deutsche oder europäische Rolle bei der Aufgabe, Versorgungssicherheit mit Lebensmitteln für künftig zehn Milliarden Menschen zu ermöglichen?

      Global betrachtet werden aktuell ausreichend Nahrungsmittel produziert, sie kommen aber nicht immer dort an, wo sie gebraucht werden. Hier ist ein gut funktionierender Agrarhandel entscheidend. Europa gehört zu den größten Weizenexporteuren der Welt und ist ein wichtiger Lieferant zum Beispiel für Nordafrika. In Deutschland wird hervorragender Weizen mit hohen Proteingehalten produziert, der in anderen Teilen der Welt stark nachgefragt wird. Klimaveränderungen und extreme Wetterereignisse können aber auch in Europa zu Ernte-Einbußen führen, das hat das außergewöhnlich trockene Jahr 2018 gezeigt.

      Züchtungsfortschritte bei klimatoleranteren Sorten, technische Innovationen wie die Klimagewächshäuser sowie die Digitalisierung in der Landwirtschaft allgemein bieten hier entsprechendes Potential, auch unter sich verändernden Rahmenbedingungen die Nahrungsmittelversorgung für zehn Milliarden Menschen sicherzustellen. Dabei sollten wir bestrebt sein, die Nahrungsmittelversorgung nicht allein über Importe, sondern auch soweit wie möglich „local for local“ abzudecken – sowohl in Industrieländern als auch ausdrücklich in Wachstumsmärkten.

      2. Was hat die BayWa aus den Anwendungen in den Emiraten gelernt? Kann man die Erfahrungen auch auf die EU übertragen?

      In Klimagewächshäusern kann man im Grunde überall produzieren, in der Wüste genauso wie am Nordpol, wobei der Erfolg im Einzelfall von bestimmten Faktoren abhängt, zum Beispiel welches Produkt angebaut werden soll. Auch in den Emiraten sind die natürlichen äußeren Bedingungen für die Landwirtschaft sehr anspruchsvoll. Eine ganzjährige Produktion von – in diesem Fall – Premium-Snack-Tomaten ist daher nur in modernen Klimagewächshäusern möglich. Aus pflanzenbaulicher Sicht haben wir viel gelernt, zum Beispiel hinsichtlich einer optimalen Versorgung der Pflanzen mit Nährstoffen und Wasser bei gleichzeitig schonendem Ressourceneinsatz.Der Wunsch nach mehr „local for local“, der in den Emiraten ausschlaggebend war, nimmt auch in anderen Ländern zu. Einerseits, um sich unabhängiger von Nahrungsmittelimporten zu machen, andererseits, weil die Nachfrage nach regional und nachhaltig produzierten Lebensmitteln steigt, gerade in wohlhabenden Nationen. Unsere Erfahrungen hinsichtlich Ernährungstrends sowie Wünsche und Anforderungen des Verbrauchers sind ähnliche, wie wir sie auch in Europa machen.

      3. Sie unterstützen den Global Food Summit unter anderem bei dem Start-up-Event. Worin liegt Ihr besonderes Interesse bei den Start-ups?

      Wir unterstützen das Start-up-Event des Global Food Summit gern, weil die BayWa von jeher den Anspruch hat, ein Treiber von Innovationen zu sein und diese ihren Kunden frühzeitig zur Verfügung zu stellen. Das gilt heute, im digitalen Zeitalter, genauso wie in den 1920er Jahren, als die BayWa zu den Vorreitern bei der Mechanisierung der Landwirtschaft gehörte. Die Voraussetzung dafür ist, Innovationen frühzeitig zu erkennen, die eigenen Geschäftsmodelle immer wieder neu zu hinterfragen und gegebenfalls zu ergänzen, anzupassen oder ganz neue Geschäftsmodelle zu entwickeln. In diesem Prozess sind Start-ups, die ja schon einen Schritt weiter sind, sehr wichtig. Die BayWa wiederum kann den Weg einer Innovation zur Marktreife beschleunigen – durch ihre Nähe zum Kunden, ihr enges Vertriebsnetzwerk und die Möglichkeiten, innovative Geschäftsideen, zum Beispiel durch Praxisversuche, zügig zu evaluieren. Mit dem Agro Innovation Lab realisieren wir dies bereits seit Jahren erfolgreich.

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