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2018-12-12

Interview mit dem Botschafter von Kanada, Stéphane Dion, zu Circual Food Economy

Kanada wird sich am Global Food Summit 2019 durch die City of Guelph/Wellington und deren Projekt „50x50x50 by 2025 – Creating Canada’s first circular food economy“ einbringen.
Wir sprachen mit dem Botschafter von Kanada in Deutschland, seiner Exzellenz Stéphane Dion (siehe Foto).

1. Exzellenz, die Botschaft von Kanada unterstützt den Global Food Summit 2019 in München. Was sind die Gründe dafür?


Das Anliegen des Global Food Summit deckt sich in hohem Maße mit Kanadas Prioritäten: Die Entwicklung nachhaltiger Ernährung mit Hilfe neuer Denkansätze und Technologien voranzubringen, zum Wohle aller Kanadier, aber auch zum Wohle der Weltbevölkerung insgesamt. Darüber hinaus sind wir stolz, zusammen mit anderen Städten, international renommierten Forschungseinrichtungen und Unternehmen auftreten zu können. Kanada ist auf dem Weg, noch internationaler zu werden. Der Global Food Summit passt dazu einfach auf ideale Weise.

2. Was kaum einer in Deutschland weiß: Kanada ist nicht nur das zweitgrößte Flächenland der Erde, sondern hat auch sehr aktive urbane Zentren mit zukunftsweisenden Stadtprojekten wie beispielsweise die Stadt Guelph. Guelph möchte weltweit die erste „technology-enabled Circular Food Economy“ werden. Was steckt dahinter?

Kanadas landwirtschaftlich genutzte Fläche beträgt fast 700.000 Quadratkilometer, aber 80% der Kanadier leben in Städten und damit ist Kanada - entgegen des Klischees - eines der urbansten Länder der Welt. Kanada ist ein Einwanderungsland, etwa 240.000 Menschen kommen pro Jahr, und die meisten wählen die Großstädte als ihre neue Heimat. Die Stadt Guelph in Ontario, die schon immer ein Zentrum der Landwirstchaft und Lebensmittelproduktion war, hat sich im Rahmen der Smart Cities Initiative das Ziel gesetzt, eine ganzheitliche und nachhaltige Lebensmittelkreislaufwirtschaft zu etablieren. Diese basiert auf der Partnerschaft zwischen Stadt und Land, Forschung und Wirtschaft, sowie der Entwicklung neuer Konzepte, um gesunde und nahrhafte Lebensmittel für alle bereitzustellen - und das klimaverträglich und ohne Abfall („zero waste“).

3. Exzellenz, Sie waren bis 2017 Außenminister von Kanada und davor Umweltminister, von 2004 bis 2006; sind Sie erfreut festzustellen, dass die UN-Nachhaltigkeits Ziele (SDGs) jetzt vor allem durch städtische, junge Bevölkerungsgruppen weltweit vorangetrieben werden? Und was bedeutet die Idee „Nachhaltigkeit“ für unser tägliches Essen?

Ich bin von diesem Engagement begeistert. Im April 2018 hat Kanada das Voluntary National Review Web Portal gestartet, um allen Kanadierinnen und Kanadiern, inklusive unserer indigenen Bevölkerung, den Vertretern der Wirtschaft, Forschung und öffentlichen Einrichtungen, die Möglichkeit der Teilhabe zu bieten. Unsere Städte mit ihrem kreativen Potenzial in den Universitäten und Start-ups und mit den vielfältigen Kulturen und Lebensmodellen die sich dort treffen, sind sicherlich die hauptsächlichen Innovationstreiber. Und Nachhaltigkeit für unser tägliches Essen bedeutet für mich, dass wir in Kanada, einem wohlhabenden Land mit Lebensmitteln im Überfluß, wie auch überall auf der Welt, bewusster konsumieren müssen, was Ressourcenverbrauch, Klimaauswirkungen und Verschwendung anbelangt. 

4. Gibt es Unterschiede wie in Kanada und in Deutschland das Thema „innovative Lebensmittel“ in die jeweilige Esskultur integriert und darüber diskutiert wird?

Die Trends und Diskussionen in Kanada und Deutschland gleichen sich sehr. Der Markt reagiert auf Änderungen im Kaufverhalten und Produkte aus biologischem Anbau, vegetarische, vegane und Gluten-freie Produkte, superfoods, convenient foods, Lebensmittel mit weniger Zucker und aus handwerklicher Herstellung sind im Kommen. In Deutschland besteht großes Interesse an Lebensmitteln aus Kanada und unser Trade Commissioner Service arbeitet eng mit Herstellern und Exporteuren in Kanada zusammen, um den Markt auszubauen. Wir erhoffen uns auch, dass durch das Comprehensive Economic Trade Agreememnt (kurz CETA) zwischen Kanada und der EU, der Handel im Bereich Lebensmittel weiter zunimmt, wobei wir das Recht der Regierungen, nach eigenem Ermessen zu regulieren, uneingeschränkt respektieren. Es gibt aber auch Unterschiede: die strikte Ablehnung gentechnisch veränderter Organismus (non-GMO Prinzip) in Deutschland und Glyphosatgrenzwerte erlauben es einigen Produkten aus Kanada nicht, hier auf den Markt zu kommen.

5. Was würden Sie gerne über ihr Land vermitteln, was in Deutschland unbekannt ist?

Kanada ist in Deutschland sehr beliebt und hat ein sehr gutes Image. Allerdings beruht dieses positive Bild oftmals auf der Annahme, dass es in Kanada vor allem unberührte Natur, Wälder und Seen gebe. Dies ist zwar auch der Fall, aber Kanada verfügt darüber hinaus über eine sehr innovative und produktive Forschungslandschaft mit Einrichtungen des Bundes wie etwa dem National Research Council. Dazu kommen im föderalen Kanada auf der Ebene der Provinzen circa 100 sehr gut ausgestattete Universitäten, die in den internationalen Rankings weit oben abschneiden. Im OECD Vergleich verfügt Kanada über den höchsten Anteil an Universitäts- und College-Absolventen. Dieser Aspekt von Kanada als Wissenschaftsnation ist hierzulande noch nicht genügend bekannt. Insbesondere für die Anliegen des Global Food Summit ist diese Verbindung von weiter Natur und innovativer Forschung eine ideale Mischung.